Wird ein Mitglied der Gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) im Vorfeld eines beabsichtigten Rentenantrages in einer GRV-Beratungsstelle falsch beraten, so hat er einen Anspruch auf Zahlung von Schadenersatz. Das hat das Oberlandesgericht München mit Urteil vom 4. August 2011 entschieden (Az.: 1 U 5070/10).
Der im Jahr 1948 geborene Kläger war bis Ende September 2003 als Bankangestellter Pflichtmitglied der Gesetzlichen Rentenversicherung. Er bezog vom 1.1.2004 bis zum 31.1.2005 Arbeitslosengeld. Anschließend machte er sich selbstständig. Diese Tätigkeit beendete er zum 31.12.2006, ohne sich erneut arbeitslos zu melden.
Fehlende Voraussetzungen
Bei einem im Mai 2006 durchgeführten Beratungsgespräch in einer Beratungsstelle der GRV wurde er über die Möglichkeit eines vorzeitigen Bezugs von Altersrente ab dem 60. Lebensjahr informiert. Bei diesem Gespräch wurde ihm eine Rentenberechnung übergeben und der Eindruck erweckt, als könne er mit 60 in Rente gehen, ohne zusätzliche Voraussetzungen erfüllen zu müssen.
Doch als der Kläger rechtzeitig vor seinem 60. Geburtstag einen Rentenantrag stellte, erlebte er eine für ihn böse Überraschung. Die Deutsche Rentenversicherung Bund teilte ihm mit, dass er weder in dem im Sinne von § 237 SGB VI erforderlichen Umfang arbeitslos war noch in den letzten zehn Jahren vor beabsichtigtem Rentenbeginn die in dieser Vorschrift geforderten Pflichtbeiträge gezahlt hatte.
Doch das wollte der Kläger so nicht hinnehmen. Er fand nämlich heraus, dass er durch eine rechtzeitige Nachzahlung von Beiträgen und einer Arbeitslosenmeldung bis zum beabsichtigen Rentenbeginn durchaus die für die Rentengewährung erforderlichen Voraussetzungen hätte erfüllen können. Darauf wurde er jedoch während des Beratungsgesprächs nicht hingewiesen.
Pflicht zur Beratung
Er verklagte die Rentenversicherung daher auf Zahlung von Schadenersatz. Dabei verlangte er gleichzeitig einen Ersatz dafür, dass ihm auch eine Betriebsrente nicht wie geplant schon mit Beginn des 60. Lebensjahrs gezahlt wurde. Denn deren Zahlung war vom Bezug der gesetzlichen Altersrente abhängig.
Nachdem das Münchener Landgericht seine Amtshaftungsklage als unbegründet zurückgewiesen hatte, hatte der Mann vor dem Oberlandesgericht mehr Erfolg.
Grundsätzlich, so das Gericht, sind die Leistungsträger der gesetzlichen Sozialversicherung gemäß § 14 SGB I dazu verpflichtet, ihre Versicherten zu beraten. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs müssen amtliche Auskünfte aber richtig, vollständig und unmissverständlich sein.
Dazu gehört es auch, die Versicherten über naheliegende Gestaltungs-Möglichkeiten zu informieren. Der Kläger hätte daher bei dem Beratungsgespräch darüber aufgeklärt werden müssen, dass er durch eine Arbeitslosenmeldung und Nachzahlungen die Voraussetzungen dafür hätte schaffen können, seine Altersrente schon mit Beginn des 60. Lebensjahres zu beziehen.
Zahlung von Schadenersatz
Bei einer monatlichen Rente in Höhe von rund 1.500 Euro sowie einer Nachzahlung von insgesamt 4.300 Euro hätte sich die Sache nach Meinung des Gerichts selbst unter Berücksichtigung eines Rentenabschlags für den Kläger gerechnet.
Der Rentenversicherungs-Träger wurde daher dazu verpflichtet, dem Kläger Schadenersatz zu zahlen. Das bezieht sich allerdings nicht auf den für später als gedachten Bezug der betrieblichen Altersversorgung. Denn die Amtshaftung erstreckt sich ausschließlich auf die Beratung zu den Rechten und Pflichten aus der gesetzlichen Sozialversicherung – so das Gericht.
Die Richter sahen keine Veranlassung, eine Revision gegen das Urteil zuzulassen.
(Quelle VersicherungsJournal 06.09.2011)
Jürgen Zwilling und Ursula Zwilling
- Versicherungsmakler-
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