Nach Ansicht des Sozialgerichts Darmstadt wirken vergrößerte männliche Brüste grundsätzlich nicht entstellend. Betroffene Männer habe daher keinen Anspruch auf eine operative Brustverkleinerung auf Kosten ihres gesetzlichen Krankenversicherers (Urteil vom 21. Juli 2023; S 13 KR 211/21).
Der im Jahr 1986 geborene Kläger leidet an einer ausgeprägten beidseitigen Vergrößerung seiner Brustdrüsen (Gynäkomastie), links mehr als rechts. Unter Vorlage eines ärztlichen Attests beantragte er daher bei seinem gesetzlichen Krankenversicherer (GKV) die Kosten für eine operative Verkleinerung des Zustands zu übernehmen.
Kein Krankheitswert?
Der Arzt des Mannes hatte bescheinigt, dass die Gynäkomastie den sozialen Rückzug seines Patienten begünstige und zu einer deutlichen psychischen Belastung führe. Die Krankenkasse jedoch weigerte sich, die Kosten der beabsichtigten Operation zu übernehmen.
Dies begründete sie – unterstützt durch ein Gutachten des medizinischen Dienstes – unter anderem damit, dass die Vergrößerung der Brustdrüsen keine massive Funktionseinschränkung des Körpers des Versicherten bewirke. Die Vergrößerung habe folglich keinen Krankheitswert.
Sie sei im Übrigen nicht so ausgeprägt, dass von einer Entstellung gesprochen werden könne. Von dem Versicherten behauptete Schmerzen seien nicht nachvollziehbar. Beim Wunsch auf eine Brustverkleinerung stünden augenscheinlich deutlich kosmetische Gründe im Vordergrund. Außerdem seien eventuelle psychische Beeinträchtigungen mit Hilfe einer Psychotherapie zu behandeln.
Keine Erkrankung im krankenversicherungsrechtlichen Sinne
Dieser Argumentation schloss sich das schließlich mit dem Fall befasste Sozialgericht Darmstadt an. Es wies die Klage des Betroffenen als unbegründet zurück.
Nach Überzeugung des Gerichts leidet der Mann in körperlicher Hinsicht an keiner Erkrankung im krankenversicherungs-rechtlichen Sinne. „Denn eine Krankheit im krankenversicherungs-rechtlichen Sinne ist ein regelwidriger, vom Leitbild eines gesunden Menschen abweichender Körper- oder Geisteszustand, der ärztlicher Behandlung bedarf oder Arbeitsunfähigkeit bedingt. Hier fehlt es im Hinblick auf die körperliche Situation des Klägers an der Regelwidrigkeit“.
Keine notwendige Maßnahme zur Heilung einer Krankheit
Auszugehen sei vom Leitbild eines gesunden Menschen, der zur Ausübung normaler körperlicher oder psychischer Funktionen in der Lage sei. Abweichungen von dieser Norm führten zur Regelwidrigkeit des körperlichen, seelischen oder geistigen Zustandes.
Einen Krankheitswert stelle aber nur eine erhebliche Abweichung dar. Eine körperliche Anomalie wie jene des Klägers falle in der Regel folglich nicht unter den Begriff einer Krankheit oder Behinderung. Bei der von ihm beantragten Operation handele es sich daher um keine notwendige Maßnahme zur Heilung einer Krankheit.
Keine Entstellung
Es sei zwar glaubhaft und nachvollziehbar, dass der Kläger einen psychischen Leidensdruck empfinde. Dem könne aber mit den Mitteln einer Psychotherapie begegnet werden. Von einer Entstellung könne ebenfalls nicht ausgegangen werden. Denn das sei in der Regel allenfalls bei einer Anomalie im Gesichtsbereich der Fall.
Zwar könnten nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts auch körperlichen Anomalien, die sich in für gewöhnlich bekleideten Bereichen befinden, ein Krankheitswert zugemessen werden. In diesen Bereichen müssten die Auffälligkeiten aber besonders schwerwiegend sein und evident abstoßend wirken. Das sei in der entschiedenen Sache nicht der Fall.
(Quelle VersicherungsJournal 10.10.2023)
Jürgen Zwilling und Ursula Zwilling
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