Wer einen Kaskoschaden erleidet, ist ohne erkennbaren Anlass nicht dazu verpflichtet, die Rechnung einer von ihm beauftragten Fachwerkstatt auf ihre Plausibilität zu überprüfen. Das geht aus einem Urteil des Amtsgerichts Kassel vom 12. September 2023 hervor (423 C 41/23).
Die Klägerin hatte bei der Beklagten für ihren Personenkraftwagen eine Vollkaskoversicherung abgeschlossen. Nach einem Schadensfall ließ sie das Auto in einer Fachwerkstatt reparieren. Dafür wurden ihr rund 2.400 Euro in Rechnung gestellt.
Unstimmigkeiten bezüglich der Rechnungsstellung
Unter Berücksichtigung der vereinbarten Selbstbeteiligung von 150 Euro wollte der Versicherer hiervon nur knapp 1.600 Euro übernehmen. Das begründete er mit Unstimmigkeiten bezüglich der Rechnungsstellung.
Denn die Werkstatt habe die Lackierarbeiten an eine Fremdwerkstatt vergeben, ohne das in der Rechnung zu offenbaren. Diese habe der Reparaturwerkstatt für die Lackierung aber einen deutlich geringeren Betrag in Rechnung gestellt als jenen, welcher von der Versicherten letztlich verlangt worden sei.
In der Regel müssen in Rechnung gestellte Kosten übernommen werden
Das wurde von dem schließlich mit dem Fall befassten Kasseler Amtsgericht auch nicht in Abrede gestellt. Das Gericht verurteilte den Versicherer gleichwohl dazu, der Klägerin den vollständigen Rechnungsbetrag abzüglich der Selbstbeteiligung zu erstatten.
Es sei zwar richtig, dass ein Kaskoversicherer nur verpflichtet sei, notwendige Reparaturkosten-Aufwendungen zu erstatten. Das bedeute aber auch, dass er in der Regel die von einer Fachwerkstatt in Rechnung gestellten Kosten übernehmen müsse.
Von einem Versicherungsnehmer könne nicht gefordert werden, dass er ohne konkreten Anlass Nachforschungen darüber anstelle, ob eine solche Rechnung fehlerhaft ist, etwa weil nicht angefallene Kosten Gegenstand der Rechnung seien.
Keine Plausibilitätsprüfung erforderlich
In dem entschiedenen Fall sei die Klägerin als technische Laiin nicht dazu verpflichtet gewesen, einzelne Rechnungspositionen auf ihre Plausibilität zu überprüfen.
Ihr könne insbesondere nicht angelastet werden, dass sie die Frage, ob Subunternehmer eingeschaltet werden sollten, gegenüber der Werkstatt nicht angesprochen hatte. Denn die Einschaltung von Subunternehmern sei hierzulande gängige Praxis. Sie spiele bei der Abrechnung gegenüber dem Auftraggeber folglich keine Rolle.
Ansprüche gegenüber der Werkstatt an Kaskoversicherer sind abzutreten
Im Übrigen lasse sich dem Versicherungsvertrag nicht entnehmen, dass die Versicherte gegenüber ihrem Versicherer dazu verpflichtet war, „etwaige Unregelmäßigkeiten bei der Abrechnung dem Grunde nach uneingeschränkt erstattungspflichtiger Schäden ohne Anlass die Berechtigung der einzelnen Rechnungspositionen kritisch zu überprüfen oder gar verdachtslos entsprechende Recherchen anzustellen“.
Das Gericht verpflichtete die Klägerin aber dazu, etwaige Ansprüche gegenüber der Werkstatt an ihren Kaskoversicherer abzutreten.
(Quelle VersicherungsJournal 20.12.2023)
Jürgen Zwilling und Ursula Zwilling
- Versicherungsmakler*in – Künstler*in
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