04.09.2023
Mathe-Genie haftet nicht nach EC-Kartenmissbrauch

Wer die Geheimzahl seiner EC- oder Kreditkarte hinreichend verschlüsselt, hat im Fall eines Missbrauchs selbst dann Anspruch auf eine Entschädigung, wenn er die Karte und die Zahl gemeinsam aufbewahrt hat. Das hat das Amtsgericht München mit einem am Montag veröffentlichten Urteil vom 2. Juni 2023 entschieden (142 C 19233/19).
Der Kläger verfügte über eine EC-Karte mit Maestro-Funktion. Die verwahrte er zusammen mit der dazugehörigen Geheimzahl in seinem Geldbeutel auf.
Als der Mann im Oktober 2015 einen Stopp an einer italienischen Autobahnraststätte machte, gelang es unbekannten Trickdieben, sein Portemonnaie zu entwenden. Bereits 20 Minuten später hoben sie an einem Geldautomaten insgesamt 1.000 Euro von seinem Girokonto ab.
Der Bestohlene bemerkte den Verlust der Geldbörse erst einige Minuten später. Er ließ die Karte zwar unverzüglich sperren. Aber da war es bereits zu spät. Das Geldinstitut des Mannes belastete dessen Konto daher mit 1.000 Euro zuzüglich elf Euro für zwei Geldautomaten-Verfügungen im Ausland.
Mathematisch verschlüsselte PIN
Das wollte der Mann nicht akzeptieren. Er zog vor Gericht. Dort räumte er unumwunden ein, die Karte zusammen mit der Geheimzahl in dem Geldbeutel aufbewahrt zu haben. Als mathematisch versierter Mensch habe er die vierstellige Geheimzahl aber auf einem handgeschriebenen Zettel mit diversen Telefonnummern notiert.
Dabei sei er so vorgegangen, dass er die PIN 4438 in zwei Schritten in Primzahlen zerlegt und so zu den Ziffern 2, 7 und 317 gelangt sei. Diese Zahl habe er zusammenhängend und ohne Bezug zu der EC-Karte als „27317“ auf den Zettel übertragen.
Der oder die Täter müssten daher im Besitz einer Technik gewesen sein, die es ermöglicht habe, das Geld auch ohne Kenntnis der PIN abzuheben. Sein Geldinstitut sei daher dazu verpflichtet, für den ihm entstandenen Schaden aufzukommen.
Kein grob fahrlässiges Verhalten
Letzterem pflichtete das Münchener Amtsgericht bei. Es gab der Klage des Diebstahlopfers statt.
Nach Überzeugung des Gerichts ist der entstandene Schaden nicht auf eine grob fahrlässige, geschweige denn vorsätzlich Pflichtverletzung zurückzuführen. Nur dann aber wäre seine Bank nicht zum Ersatz des ihm entstandenen Schadens verpflichtet gewesen.
Es werde in der Regel zwar als grob fahrlässig gewertet, wenn ein Kunde eines Geldinstituts seine EC- oder Kreditkarte zusammen mit der dazugehörigen Geheimzahl nicht räumlich voneinander getrennt aufbewahre. Eine Ausnahme gelte jedoch in jenen Fällen, in denen der Kunde die PIN hinreichend und sicher verschlüsselt.
Auch für Sachverständigen sicher verschlüsselt
Davon müsse in dem entschiedenen Fall ausgegangen werden. Denn obwohl er Kenntnis von der Rechenweise des Klägers gehabt habe, sei es selbst einem Sachverständigen zunächst nicht gelungen, die Zahlenfolge 27317 zu dechiffrieren und hieraus die PIN rückzurechnen. Es sei daher nicht nachvollziehbar, wie es den Dieben innerhalb kürzester Zeit gelingen konnte, die Abhebungen zu tätigen.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Das Geldinstitut hat Berufung beim Münchener Landgericht eingelegt. Dort wird der Fall unter dem Aktenzeichen 13 T 817/22 geführt.
(Quelle VersicherungsJournal 22.06.2023)
Jürgen Zwilling und Ursula Zwilling
- Versicherungsmakler-
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