22.05.2023
Was ein Kaskoversicherer nach einem risslosen Steinschlag bezahlen muss

Wird die Windschutzscheibe eines Fahrzeugs wegen Glasschäden ausgetauscht, so muss ein Kfz-Versicherer in der Regel auch dann zahlen, wenn sie zu keiner Rissbildung geführt haben. Das hat das Landgericht Saarbrücken mit Urteil vom 10. Februar 2023 (13 S 109/22) entschieden.
Ein Autofahrer informierte seinen Kaskoversicherer über den Austauschs seiner Windschutzscheibe. Die Kosten für Tausch und Entsorgung der alten Frontscheibe verlangte er abzüglich einer Selbstbeteiligung von seinem Versicherer erstattet zu bekommen.
War die Entsorgung der alten Scheibe nicht versichert?
Mit dem Argument, dass es sich bei den Beschädigungen lediglich um nicht versicherte Kratzer und Abplatzungen gehandelt habe, weigerte sich der Kaskoversicherer den Schaden zu regulieren. Auch Entsorgungskosten seien grundsätzlich nicht versichert.
Darüber hinaus habe der Mann den Versicherungsfall nicht ordnungsgemäß angezeigt. Er habe es versäumt, das Schadendatum und die Örtlichkeit sowie die Ursache zu benennen.
Diese Argumentation akzeptierten die Richter des Saarbrücker Landgerichts nicht. Sie gaben dem Fahrzeughalter Recht.
Zeitpunkt des Schadenereignisses nicht von Bedeutung für Inanspruchnahme
Nach Ansicht des Gerichts kommt es für das Geltendmachen von Glasbruchschäden gegenüber einem Kaskoversicherer nicht auf den Zeitpunkt und die Örtlichkeit des Schadenereignisses an. Denn der Nachweis eines Schadens lasse sich in derartigen Fällen in der Regel unproblematisch führen.
Im Übrigen würden sich Glasbruchschäden an Windschutzscheiben, die sich aus einem Steinschlag ergeben, häufig erst mit einiger Verzögerung, etwa in Form von Rissen infolge Spannungen zeigen.
„Schon deshalb würde es die Anforderungen an einen Erstattungsanspruch überspannen, wenn der Versicherungsnehmer zwar nicht die Ursache des Risses, aber dessen Eintritt genau zeitlich einordnen müsste, wenn zugleich feststeht, dass der Schaden – wie hier – erst zeitnah zur Schadensmeldung bemerkt worden ist“, so das Gericht.
Lediglich kosmetische Gründe reichen nicht für Austausch der Scheibe
Den Einwand des Versicherers, dass es sich um keinen versicherten Glasbruchschaden handele, ließen die Richter ebenfalls nicht gelten. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch würden auch Einschnitte, Risse oder Sprünge in Scheiben, zum Beispiel durch Steinschlag, unter den Begriff des Glasbruchs fallen.
Kein Versicherungsschutz würde lediglich für bloße Kratzer und Trübungen auf der Glasoberfläche bestehen. Das gelte zumindest dann, wenn sie ersichtlich keine Auswirkungen auf die Verkehrssicherheit hätten und ein Austausch einer Scheibe in erster Linie aus kosmetischen Gründen erfolge.
Sprung hätte bei Hauptuntersuchung als Mangel angesehen werden können
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei die Frontscheibe des Fahrzeugs durch zahlreiche Steinschläge beschädigt gewesen. Deren Anzahl und Intensität sowie der Verortung im Sichtfeld des Fahrers hätten erkennen lassen, dass die Verkehrssicherheit nicht unerheblich beeinträchtigt gewesen sei.
Auch eine Beanstandung im Rahmen der nächsten Hauptuntersuchung hätte nicht ausgeschlossen werden können.
Vor diesem Hintergrund sei es aus Sicht eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers vernünftig gewesen, die Scheibe austauschen zu lassen. Die Kosten des Austausches sowie jene für eine fachgerechte Entsorgung der alten Scheibe müssten daher von dem Kaskoversicherer übernommen werden. Der Kunde müsse lediglich die vereinbarte Selbstbeteiligung zahlen.
Das Gericht ließ kein Rechtsmittel gegen seine Entscheidung zu.
(Quelle VersicherungsJournal 21.02.2023)
Jürgen Zwilling und Ursula Zwilling
- Versicherungsmakler-
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