13.03.2023
Kollision mit Rehen verhindert – Teilkaskoversicherer muss zahlen

Ein Motorradfahrer nahm beim Einfahren in eine Rechtskurve aus geringer Entfernung in unmittelbarer Nähe zum rechten Straßenrand Rehe wahr. Beim Versuch, links auszuweichen, geriet er von der Straße ab. In diesem Fall kann eine objektiv gebotene Rettungshandlung zulasten seines Teilkaskoversicherers vorliegen. Das geht aus einem Urteil des Saarländischen Oberlandesgerichts vom 23. November 2022 hervor (5 U 120/21).
Der Kläger war Anfang September 2020 mit seinem Motorrad auf einer französischen Landstraße unterwegs. Beim Einfahren in eine Rechtskurve am rechten Straßenrand nahm er hinter einem Busch mehrere Rehe wahr.
Weil der Motorradfahrer nicht ausschließen konnte, dass die Tiere unmittelbar im Begriff waren, die Fahrbahn zu überqueren, wich er nach links aus. Dabei geriet der Mann auf einen Grünstreifen. Auf dem kamen er und sein hinter ihm sitzender Sohn zu Fall.
Kfz-Versicherer wollte Schaden nicht regulieren
Zu einer Berührung mit den Tieren kam es nicht. Der Kläger verlangte dennoch von seinem Teilkaskoversicherer, ihm den Schaden zu ersetzten, der bei dem Sturz am Motorrad, an seinem Helm und seiner sowie der Kleidung des Sohns entstanden war.
Der Versichere weigerte sich, den Schaden zu regulieren. Seine Begründung: Die Schilderung des Unfallgeschehens sei nicht plausibel. Denn folge man der Darstellung des Klägers, wäre es auch ohne die reflexhafte Ausweichbewegung nicht zu einer Kollision mit den Rehen gekommen.
Kein versicherter Wildschaden, aber …
Das Landgericht Saarbrücken als erste Instanz wie auch das vom Versicherer in Berufung angerufene Saarländische Oberlandesgericht stellten nicht in Abrede, dass der Versicherer mangels einer Kollision zunächst nicht eintrittspflichtig war. Ein Erstattungsanspruch des Klägers bestehe aber aus dem Gesichtspunkt des Rettungskosten-Ersatzes.
Gemäß § 82 Absatz 1 VVG sei ein Versicherter nämlich zur Abwendung und Minderung eines Schadens verpflichtet. In so einem Fall habe der Versicherer dadurch entstandene Aufwendungen gemäß § 83 VVG selbst dann zu übernehmen, wenn die Maßnahmen erfolglos blieben, der Versicherungsnehmer sie aber den Umständen nach für geboten halten durfte.
Ersatzfähig seien daher unter anderem die Folgen von Fahrmanövern, die ein Fahrer nach den Umständen, insbesondere zur Vermeidung des Versicherungsfalls „Zusammenstoß mit Tieren“, für erforderlich halten durfte.
… Rettungshandlung
Nach der Vernehmung des Sohnes des Motorradfahrers sowie eines weiteren Zeugen hielten es die Richter für erwiesen, dass im Bereich des Busches tatsächlich mehrere Rehe gestanden hatten.
Für jeden durchschnittlichen Straßenverkehrs-Teilnehmer bestehe in so einer Situation aus objektiver Sicht jedoch die Befürchtung, dass die Tiere, deren Verhalten nicht vorhersehbar sei, auf die Fahrbahn laufen und einen Zusammenstoß provozieren könnten. Unter den gegebenen Umständen habe es sich bei dem Ausweichmanöver des Klägers daher um eine Rettungshandlung gehandelt, um der drohenden Gefahr durch die Rehe zu entgehen.
Von einer solchen sei selbst dann auszugehen, wenn man unterstelle, dass es sich um eine Reflexhandlung gehandelt habe. Denn auch die könne eine Rettungshandlung darstellen. Der Versicherer sei folglich zum Ersatz des Schadens verpflichtet.
Das Berufungsgericht sah keine Veranlassung, ein Rechtsmittel gegen seine Entscheidung zuzulassen.
(Quelle VersicherungsJournal 22.12.2022)
Jürgen Zwilling und Ursula Zwilling
- Versicherungsmakler-
juergenzwilling@auc-zwilling.de ursulazwilling@auc-zwilling.de