Keine Berufsunfähigkeit trotz schwerer Erkrankung?
Ein Leistungsanspruch aus einer Berufsunfähigkeits-Versicherung setzt auch dann eine voraussichtlich dauernde Einschränkung der beruflichen Fähigkeit voraus, wenn dies in den Versicherungs-Bedingungen nicht ausdrücklich angegeben ist. In Fällen, in denen keine Prognose möglich ist, liegt auch bei einer gravierenden Erkrankung wie zum Beispiel Brustkrebs keine Berufsunfähigkeit im Sinne der Bedingungen vor. Das hat das Oberlandesgericht Dresden mit Beschluss vom 12. Oktober 2022 entschieden bestätigt (4 U 673/22).
Bei der Klägerin war im Dezember 2017 Brustkrebs diagnostiziert worden. Sie war deswegen durchgängig vom 13. Dezember 2017 bis zum 23. September 2018 arbeitsunfähig. Nach zwei Operationen sowie einer Strahlentherapie übt sie nach einer Wiedereingliederung seit Ende September 2018 ihren Beruf als Kundenberaterin wieder aus.
Streit um Dauerhaftigkeit
Bei ihrem Berufsunfähigkeits-Versicherer beantragte sie für die Zeit ihrer Arbeitsunfähigkeit die Zahlung einer Rente. Der aber lehnte eine Einstandspflicht ab. Denn die gesundheitliche Einschränkung sei nicht dauerhaft gewesen.
Dem hielt die Frau entgegen, dass es auf eine Dauerhaftigkeit nicht ankomme. Denn die sei dem Wortlaut der Versicherungs-Bedingungen nicht zu entnehmen.
Der Versicherer erwiderte, dass aber in § 172 VVG von einer anhaltenden Dauer die Rede sei. Es komme daher nicht darauf an, dass das Wort „dauerhaft“ in den Versicherungs-Bedingungen enthalten ist oder nicht.
Dauerhafte Einschränkung der Berufsfähigkeit nicht anzunehmen
Dieser Argumentation schlossen sich sowohl das in erster Instanz mit dem Fall befasste Landgericht Leipzig, als auch das von der Klägerin in Berufung angerufene Dresdener Oberlandesgericht an. Beide Gerichte hielten die Klage der Versicherten für unbegründet.
Nach Ansicht der Richter ist die Betroffene den Nachweis dafür schuldig geblieben, dass das bei ihr diagnostizierte Mammakarzinom es rechtfertigt, eine dauerhafte Einschränkung ihrer Berufsfähigkeit um mehr als 50 Prozent anzunehmen. Ein derartiger Nachweis sei in ihrem Fall aber für einen Anspruch auf Zahlung einer Berufsunfähigkeitsrente erforderlich.
Auch einem durchschnittlichen Versicherten bewusst
Die Versicherte sei zwar nachweislich schwer erkrankt gewesen. Eine Krebsdiagnose führe aber nicht zwangsläufig zu einer dauerhaften Berufsunfähigkeit. „Entgegen der Auffassung der Klägerin ist dem Begriff der Berufsunfähigkeit das Merkmal der Dauerhaftigkeit jedoch immanent, auch wenn es in den Versicherungs-Bedingungen nicht erwähnt ist“, so das Berufungsgericht.
Denn würde man auf das Merkmal der Dauerhaftigkeit verzichten, so müsste die Berufsunfähigkeits-Versicherung auch im Falle von vorübergehenden Erkrankungen wie zum Beispiel grippalen Infekten oder Frakturen Rentenzahlungen erbringen. Daher werde auch einem durchschnittlichen Versicherten bewusst sein, dass eine vorübergehende Erkrankung nicht vom Versicherungsschutz umfasst ist.
(Quelle VersicherungsJournal 20.12.2022)
Jürgen Zwilling und Ursula Zwilling
- Versicherungsmakler-
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