15.08.2022
Mit welchen Stolperfallen Fußgänger rechnen müssen

Fußgänger müssen auch auf Fußgängerüberwegen mit Stolperfallen rechnen. Das gilt zumindest dann, wenn diese bei genügender Aufmerksamkeit rechtzeitig erkannt werden können. So das Amtsgericht München in einem am Freitag veröffentlichten Urteil vom 21. Dezember 2021 (182 C 8281/21).
Der Kläger war beim Überqueren eines mit einer Ampel gesicherten Fußgängerüberwegs mit seinem Fuß auf einen in die Fahrbahnoberfläche eingelassenen Gullydeckel getreten. Wegen des Höhenunterschieds von 2,5 Zentimetern knickte er um und zog sich eine Fraktur zu.
Verletzung der Verkehrssicherungs-Pflicht?
Er verklagte die für die Unfallstelle zuständige Gemeinde daher auf Schadenersatz sowie Schmerzensgeld.
Seine Forderung begründete der Mann damit, dass Fußgänger beim Überqueren einer viel befahrenen Straße nicht mit Stolperfallen rechnen müssten. Um die Fahrbahn sicher überqueren zu können, hätten sie sich vielmehr voll und ganz auf das Verkehrsgeschehen zu konzentrieren.
Weil die Gemeinde nicht für eine Angleichung des Gullideckels an die Fahrbahnoberfläche gesorgt habe, habe sie ihre Verkehrssicherungs-Pflicht verletzt. Das sei ihr offenkundig auch bewusst gewesen. Denn nach dem Unfall sei eine Nivellierung erfolgt.
Dieser Argumentation schloss sich das schließlich mit dem Fall befasste Münchener Amtsgericht nicht an. Es wies die Klage des Unfallopfers als unbegründet zurück.
Grüne Fußgängerampel
Nach Ansicht der Richter gilt auch im Fall des Betroffenen der allgemeine Grundsatz, dass sich der Nutzer einer Straße den gegebenen Verhältnissen anzupassen und die Straße so hinzunehmen hat, wie sie sich ihm erkennbar darbietet.
Dabei seien nach ständiger auch obergerichtlicher Rechtsprechung Höhenunterschiede von zwei bis zweieinhalb Zentimetern hinzunehmen, wobei es eine feste Grenze hierfür nicht gebe. Entscheidend seien vielmehr die Gesamtumstände an der jeweiligen Örtlichkeit.
Der Verletzte habe zwar unstreitig eine viel befahrene Straße überquert, die von Fußgängern insgesamt eine erhöhte Aufmerksamkeit erforderte. Zum Zeitpunkt seines Unfalls habe die Fußgängerampel jedoch auf Grün gestanden, so dass er sich uneingeschränkt auf den Überquerungsvorgang habe konzentrieren können.
Fehlende Aufmerksamkeit
Bei ausreichender Aufmerksamkeit hätte er nach Überzeugung des Gerichts folglich auch den leicht wahrnehmbaren abgesenkten Gullydeckel erkennen können. Unabhängig davon müssten Fußgänger stets damit rechnen, dass am Rand eines im Boden eingelassenen Deckels Unebenheiten bestehen.
Im Übrigen könne aus der Tatsache, dass die Gemeinde nach dem Unfall für eine Nivellierung zwischen dem Gullydeckel und der Fahrbahn gesorgt habe, nicht auf ein Eingeständnis einer Verletzung ihrer Verkehrssicherungs-Pflicht geschlossen werden. Weil der Kläger eine gegen die Entscheidung eingelegte Berufung zurückgenommen hat, ist das Urteil rechtskräftig.
(Quelle VersicherungsJournal 13.06.2022)
Jürgen Zwilling und Ursula Zwilling
- Versicherungsmakler-
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