29.11.2021
Sturz vom Pferd: Krankenkasse fordert Regress von Tierhalterin

Wird im Rahmen einer Reitbeteiligung ein gegenseitiger Haftungsverzicht der Beteiligten vereinbart, gilt dieser auch gegenüber einem gesetzlichen Krankenversicherer. Das hat das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht mit Urteil vom 19. März 2021 entschieden (17 U 142/20).
Eine ältere Dame, die selber nicht mehr reiten konnte, hatte ihr Pferd im Rahmen einer Reitbeteiligung kostenlos einer erfahrenen Reiterin zur Verfügung gestellt. Doch auch die konnte nicht verhindern, dass das Tier Ende November 2015 plötzlich scheute, als ein unbekannter Autofahrer bei Regen an der Reithalle vorbeifuhr und Wasser gegen die Wände der Halle prasselte.
Bei dem Zwischenfall stürzte die Reiterin vom Pferd. Dabei zog sie sich einen Lendenwirbelbruch zu, der einer aufwendigen Heilbehandlung bedurfte.
Reiterin erleidet Lendenwirbelbruch nach Sturz vom Pferd
Die dadurch entstandenen Kosten von knapp 41.000 Euro machte der gesetzliche Krankenversicherer der Verletzten gegenüber der Pferdehalterin beziehungsweise deren Tierhalter-Haftpflichtversicherer geltend. Denn bei dem Vorfall habe sich eine typische Tiergefahr im Sinne von § 833 BGB verwirklicht, welche eine Haftungsverpflichtung auslöse.
Der Versicherer hielt die Forderung für unbegründet. Dabei berief er sich auf einen zwischen der Tierhalterin und der Reiterin vereinbarten Haftungsverzicht, in dem es hieß:
„1. Die Reitbeteiligung verzichtet auf Ansprüche gegen den Eigentümer aus § 833 BGB wegen aller ihr durch das Pferd (Name: …) verursachten Personen-, Sach- und Vermögensschäden.
2. Die Reitbeteiligung stellt den Eigentümer im Innenverhältnis von Ansprüchen Dritter frei, insbesondere von Ansprüchen ihrer Kranken- und Sozialversicherung.“
Haftungsverzicht: unwirksame Vereinbarung?
Der Krankenkasse war der Ansicht, dass die Vereinbarung ihr gegenüber als gesetzlicher Versicherer nicht wirksam sei. Denn dadurch würde ihr jegliche Regressmöglichkeit aus übergegangenem Recht im Sinne von § 116 SGB X genommen.
Diese Argumentation vermochte weder die Richter des in erster Instanz mit dem Fall befassten Kieler Landgerichts, noch die des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts zu überzeugen. Beide Gerichte hielten die Klage für unbegründet.
Wegfall übergangsfähiger Ansprüche
Nach Ansicht der Richter besteht zwar gemäß § 833 BGB eine grundsätzliche Haftung der Halterin des Pferdes gegenüber dessen Reiterin. Denn bei dem Unfall habe sich tatsächlich eine typische Tiergefahr verwirklicht. Darauf könne sich der Versicherer wegen des vereinbarten Haftungsausschlusses jedoch nicht berufen.
Es erscheine auch nicht unbillig, den Ausschluss gegenüber dem Krankenversicherer gelten zu lassen, „da dieser bei einem Reitunfall der Versicherten mit einem eigenen Pferd auf jeden Fall ohne theoretische Rückgriffmöglichkeit hätte leisten müssen“. Würde man der Argumentation des Krankenversicherers folgen, so wäre nach Meinung des Gerichts überhaupt kein individuell vereinbarter Haftungsverzicht zulässig, weil er stets zum Wegfall übergangsfähiger Ansprüche führen würde.
Typischer Reitunfall aufgrund des plötzlichen Scheuens des Pferdes
Im Übrigen gebe es keinerlei Anhaltspunkte für ein sorgfaltswidriges Verhalten der Reiterin. Bei dem Sturz habe es sich nämlich um einen typischen Reitunfall aufgrund eines plötzlichen Scheuens des Pferdes gehandelt, der jedem auch noch so erfahrenen Reiter hätte passieren könne.
Eine Revision gegen seine Entscheidung ließ das Gericht nicht zu.
(Quelle VersicherungsJournal 06.10.2021)
Jürgen Zwilling und Ursula Zwilling
- Versicherungsmakler-
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