Ein Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherer hatte trotz eindeutiger Rechtslage die Schadenregulierung verzögert. Zudem lag ihm der Hinweis darauf vor, dass die Geschädigte mit eigenen Mitteln nicht dazu in der Lage war, ein Ersatzfahrzeug anzuschaffen. In solch einem Fall hat der Versicherer für die sich daraus ergebenden finanziellen Folgen in vollem Umfang einzustehen. Das hat das Amtsgericht Aschaffenburg mit Urteil vom 10. November 2020 entschieden (115 C 819/20).
Die Klägerin war mit ihrem Personenkraftwagen in einen Verkehrsunfall verwickelt worden. Dabei erlitt ihr Fahrzeug einen Totalschaden. Zwischen den Beteiligten bestand Einigkeit, dass allein ihr Unfallgegner für das Ereignis verantwortlich war.
Dennoch ließ sich der Versicherer des Unfallverursachers mehr als 40 Tage Zeit, um den Schaden zu regulieren. Dabei war ihm durch den Anwalt der Geschädigten bereits kurz nach dem Geschehen mitgeteilt worden, dass die Frau wirtschaftlich nicht dazu in der Lage sei, den Fahrzeugschaden vorzufinanzieren.
Je nach Dauer der Regulierung könne daher ein ungewöhnlich hoher Schaden entstehen. Denn seine Mandantin müsse seit dem Tag des Unfalls einen Mietwagen nutzen. Diesen Hinweis wiederholte der Anwalt knapp eine Woche später, als er den Schaden bezifferte.
Kfz-Versicherer hielt die Forderung für überzogen
Als der Versicherer den Schaden endlich reguliert hatte, ließ die Klägerin durch ihr Autohaus unverzüglich ein Ersatzfahrzeug zu, das sie noch am selben Tag angeschafft hatte. Die Zulassungskosten sowie die vom Autohaus berechneten Standgebühren machte sie zusammen mit den Mietwagenkosten zusätzlich zu dem Fahrzeugschaden gegenüber dem gegnerischen Versicherer geltend.
Der hielt die Forderung für überzogen. Er wollte sich sowohl an den Mietwagenkosten als auch an den Standgebühren nur zu einem Teil beteiligen. Außerdem wollte er den Posten, den das Autohaus für die Zulassung des Ersatzfahrzeugs in Rechnung gestellt hatte, nur in Höhe der reinen Zulassungskosten übernehmen.
Kosten der Schadenbeseitigung sind Sache des Schädigers
Zu Unrecht, urteilte das Aschaffenburger Amtsgericht. Es gab der Klage der Geschädigten auf vollständigen Ersatz ihrer Aufwendungen statt. Das Gericht verurteilte den Versicherer dazu, der Frau weitere rund 2.700 Euro nebst Zinsen zu zahlen.
Nach Ansicht des Gerichts ist es grundsätzlich Sache eines Schädigers beziehungsweise seines Versicherers, die Kosten der Schadenbeseitigung zu finanzieren. Ein Geschädigter habe nämlich je nach den Umständen des Einzelfalls einen sofortigen Ersatzanspruch. Er sei daher nicht dazu verpflichtet, den Schaden zunächst aus eigenen Mitteln beseitigen zu lassen oder gar einen Kredit zur Schadensbehebung aufzunehmen.
Die Klägerin sei folglich dazu berechtigt gewesen, die Schadenregulierung durch den Versicherer des Unfallverursachers abzuwarten, um mit der Entschädigungsleistung letztlich ein Ersatzfahrzeug anzuschaffen.
Der Schadenminderungspflicht Genüge getan
„Gerade hierauf hatte die Klägerseite bereits vorgerichtlich mehrfach hingewiesen, so dass sie ihrer Schadenminderungs-Pflicht Genüge getan hat, indem sie die Beklagtenseite rechtzeitig auf den Eintritt eines etwaigen großen Schadens im Hinblick auf entstehende Mietwagenkosten hingewiesen hat. Dies hat sich die Beklagtenseite allerdings offensichtlich nicht als Warnung dienen lassen“, heißt es dazu in der Urteilsbegründung.
Der Versicherer wurde daher dazu verurteilt, sowohl die Mietwagenkosten als auch die Standgebühr für das Fahrzeug der Frau in vollem Umfang zu übernehmen.
Im Übrigen sei diese nicht dazu verpflichtet gewesen, die Abmeldung ihres alten Fahrzeugs sowie die Zulassung des Ersatzfahrzeugs selbst vorzunehmen. Dazu habe sie vielmehr der Dienste des Autohauses in Anspruch nehmen dürfen. Der Versicherer habe daher auch die dadurch entstandenen Kosten vollständig zu
(Quelle VersicherungsJournal 25.05.2021)
Jürgen Zwilling und Ursula Zwilling
- Versicherungsmakler-
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