08.03.2021
Autounfall: Haftpflichtversicherer muss Mehrkosten tragen

Es ist in der Regel nicht Sache eines Geschädigten, wenn eine Auto-Reparatur geringfügig teurer ist, als ein von ihm beauftragter Sachverständiger kalkuliert hat. Das hat das Amtsgericht Wangen im Allgäu mit Urteil vom 23. Mai 2020 entschieden (4 C 131/20).
Der Personenkraftwagen des Klägers war bei einer Kollision erheblich beschädigt worden. Der Versicherer des Unfallverursachers erklärte zwar seine grundsätzliche Bereitschaft, für den dem Mann entstandenen Schaden aufzukommen.
Streit gab es jedoch, als ihm die Reparaturkostenrechnung präsentiert wurde. Denn diese wich um zehn Prozent nach oben von der Kalkulation eines von dem Geschädigten beauftragten Sachverständigen ab. Der Versicherer weigerte sich daher, die Mehrkosten zu übernehmen.
Zu Unrecht, befand das Wangener Amtsgericht. Es gab der Klage des Autofahrers auf Erstattung der ihm von der Werkstatt in Rechnung gestellten Reparaturkosten in vollem Umfang statt.
Abweichung von zehn Prozent ist akzeptabel
Nach Ansicht der Richter darf ein Geschädigter in der Regel grundsätzlich auf die Richtigkeit eines von ihm eingeholten Sachverständigen-Gutachtens vertrauen. Dabei seien die darin ausgewiesenen vorläufigen Reparaturkosten nicht mit dem für die Wiederherstellung erforderlichen Geldbetrag gleichzusetzen.
Denn bei einem Gutachten handele es sich immer nur um eine Schadenschätzung. Geringfügige Abweichungen des Reparaturaufwandes könnten daher grundsätzlich nicht von vornherein ausgeschlossen werden. Ein Toleranzbereich von zehn Prozent sei akzeptabel.
Ein von der Werkstatt wie im Fall des Klägers in diesem Rahmen festgestellter finanzieller Mehraufwand erfordere daher keine Rückfrage eines Geschädigten beim Schädiger beziehungsweise seinem Versicherer. Denn dadurch könne sich gegebenenfalls kostenerhöhend der Werkstattaufenthalt verlängern.
Das würde nicht im Interesse des Versicherers liegen. Bei einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise müsse diesem nämlich daran gelegen sein, dass der Betroffene sein Fahrzeug so schnell wie möglich wieder nutzen könne.
Sache des Schädigers
Etwas anderes könne nur gelten, wenn es sich einem Geschädigten aufdrängen müsse, dass der Reparaturaufwand überhöht sein könnte. Aber auch in so einem Fall müsse er sich nicht auf eine gegebenenfalls sogar gerichtliche Auseinandersetzung mit der Werkstatt beziehungsweise dem Gutachter einlassen.
Das sogenannte Werkstattrisiko würde nämlich nach höchstrichterlicher Rechtsprechung grundsätzlich der Schädiger beziehungsweise dessen Versicherer tragen. Es sei daher dessen Sache, sich eventuelle Regressforderungen durch den Mann abtreten zu lassen.
(Quelle VersicherungsJournal 18.12.2020)
Jürgen Zwilling und Ursula Zwilling
- Versicherungsmakler-
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