25.01.2021
Zebrastreifen: Vorsicht vor fahrradfahrenden Kindern

Kommt es im unmittelbaren Bereich eines Zebrastreifens zu einer Kollision zwischen einem Auto und einem fahrradfahrenden Kind, so haftet der Autofahrer auch dann zu 100 Prozent, wenn das Kind schon vor Erreichen des Streifens in einem Bogen vom Gehweg auf die Straße fährt, um diese zu überqueren. Das hat das Amtsgericht Bad Iburg mit einem am Freitag veröffentlichten Urteil vom 10. Juni 2020 entschieden (4 C 648/19).
Die Klägerin befuhr mit ihrem Personenkraftwagen eine innerstädtische Hauptverkehrsstraße, als ihr aus entgegengesetzter Richtung der achtjährige Sohn der Beklagten mit seinem Fahrrad entgegen kam. Der war allein auf dem Gehweg unterwegs.
In unmittelbarer Nähe eines Zebrastreifens fuhr der Achtjährige auf die Straße, um sie zu überqueren. Dabei kollidierte er mit der Autofahrerin.
Den bei dem Unfall an ihrem Pkw entstandenen Schaden machte die Fahrzeughalterin gegenüber der Mutter des Kindes geltend. Diese habe ihre Aufsichtspflicht verletzt. Denn sie habe ihren Sohn an der Hauptverkehrsstraße nicht allein Fahrrad fahren lassen dürfen. Im Übrigen habe das Kind den Zebrastreifen nicht in einem 90 Grad-Winkel überquert. Es habe vielmehr schon 2,50 bis drei Meter vorher in einem Bogen zum Überqueren der Straße angesetzt.
Autofahrerin verstieß gegen die Straßenverkehrsordnung
Nach Ansicht des Amtsgerichts kann es offen bleiben, ob die Mutter des Achtjährigen tatsächlich ihre Aufsichtspflicht verletzt hat. Denn der Verursachungsbeitrag der Pkw-Lenkerin überwiege so stark, dass für eine Haftung der Mutter kein Raum bleibe.
Die Klägerin habe ihre Pflichten gemäß § 3 Absatz 2a StVO verletzt. Danach müsse sich ein Fahrzeugführer nämlich gegenüber Kindern insbesondere durch Verminderung der Fahrgeschwindigkeit und durch Bremsbereitschaft, so verhalten, dass eine Gefährdung dieser Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen sei.
Dass der Junge schon kurz vor dem Zebrastreifen dazu angesetzt hatte, diesen zu überqueren, hielt das Gericht für unerheblich. Denn bei jüngeren Kindern sei es durchaus üblich, dass sie einen Zebrastreifen nicht in einem 90 Grad-Winkel sondern in einem Bogen überquerten.
Die Klägerin hätte daher angesichts des Achtjährigen langsam fahren und in ständiger Bremsbereitschaft seien müssen, um auf das sich aus der Gegenrichtung nähernde Kind jederzeit reagieren zu können.
Erfolglose Berufung: Mutter hat Aufsichtspflicht nicht verletzt
Mit dem Urteil des Amtsgerichts wollte sich die Unterlegene nicht abfinden. Sie legte daher Berufung beim Osnabrücker Landgericht ein. Das hielt die Klage jedoch ebenfalls für unbegründet. Nach Ansicht des Berufungsgerichts kann der Mutter keine Verletzung ihrer Aufsichtspflicht vorgeworfen werden.
Denn ein achtjähriges Kind, das wie im Fall des Sohnes der Beklagten sein Fahrrad im Allgemeinen hinreichend sicher beherrsche, über Verkehrsregeln eindringlich unterrichtet worden sei und sich über eine gewisse Zeit im Verkehr bewährt habe, dürfe auch ohne eine Überwachung durch die aufsichtspflichtigen Eltern mit dem Fahrrad am Straßenverkehr teilnehmen.
Das gelte beispielsweise um zur Schule zu fahren oder einen sonst bekannten, geläufigen Weg zurückzulegen (Beschluss vom 8. Oktober 2020; 6 S 150/20).
Die Entscheidung ist inzwischen rechtskräftig.
(Quelle VersicherungsJournal 24.11.2020)
Jürgen Zwilling und Ursula Zwilling
- Versicherungsmakler-
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